Der Große. Friedrich II. von Preußen by Jürgen Luh
Autor:Jürgen Luh [Luh, Jürgen]
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
Herausgeber: Siedler
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00
Der »wahren« Kunst gibt er Asyl
So, wie der König seine Eroberung verteidigte, verteidigte er auch seine Auffassung von Kunst. Die lautete in der Reife seines Lebens: Die Kunst solle »nicht die gewöhnliche Natur nachahmen, sondern sich stets zum Heroischsten und Vollkommensten erheben.«448 1775 hat Friedrich sich so geäußert. Er hat diese Auffassung seit seiner Jugend nach und nach entwickelt. »Ich habe von meiner Kindheit an die Künste … geliebt«449, schrieb er in einem Brief an den Baron Melchior Grimm, Berlin, 26. September 1770. Maßgeblich für die Formung seiner Ansichten über die Kunst waren wohl zunächst seine Mutter Sophie Dorothea und ihr Kunstgeschmack. An ihrem Hof, so Paul Seidel, der Direktor des Hohenzollern-Museums und Autor des Werkes Friedrich der Große und die bildende Kunst, habe der Kronprinz die Künste und Kunstwerke kennengelernt, dort auch sei er mit der 450»von Frankreich herübergekommenen Mode der Ausbildung aller Gebrauchsgegenstände und Wohnungsverzierungen in den graziösen und zierlichen Formen der Regence und später des Rokoko« vertraut geworden. Auch Friedrichs Vorliebe für die »Watteausche Formenwelt«451, meint Seidel, habe hier ihren Ursprung: In den Gemächern des Schlosses Monbijou »waltete die Grazie in allem, was den Besucher umgab, da lockten die reizende Formenwelt der Porzellane und der milde Glanz der Kostbarkeiten zu süßen Träumereien, genährt durch den heimlichen Genuß französischer Dichtung und Herz und Sinne bezaubernder Musik«. Das scheint plausibel zu sein, wenn man die rohe und grobe Gegenwelt König Friedrich Wilhelms I. betrachtet, den »pedantischen Militarismus … mit seinen weißgetünchten Wänden und seinen gestrichenen Fichtenmöbeln«, und wenn man Friedrichs Abneigung gegen des Vaters Vorstellungen und Vorlieben bedenkt. Soviel läßt sich dann sicher sagen: Die Eindrücke, die der Kronprinz damals in sich aufgenommen und verarbeitet hat, haben seinem Kunstgeschmack eine Richtung gegeben.
Auf den Geschmack, den guten, den feinen, kam es Friedrich an; diese Überzeugung durchzieht seine Schriften. Der Geschmack bildete die Grundlage seines Kunstverständnisses »Die Augen sind der Kunstrichter der Malerei, wie das Ohr der der Musik. Was gefällt, ist schön; was mißfällt, hat für mich keinen Wert.«452 Fein und gut war der Geschmack, wenn er dem vergangenen Jahrhundert entstammte, der großen Zeit Ludwigs XIV., »da das vergangene Jahrhundert das gegenwärtige unterrichtet hat«453, oder der vorbildgebenden Vorzeit dieser Epoche, dem griechischen und römischen Altertum. Voltaire hatte diese Kriterien im Zeitalter Ludwigs des XIV. festgelegt, und Friedrich hat sie nach der Lektüre, noch mehr als er es zuvor getan, zu seinen eigenen gemacht. Die Musik, die Malerei, die Bildhauerei und die Baukunst der Epoche des Sonnenkönigs wurden ihm so zum Gradmesser für Geschmack und Kunst — wegen der Fortschritte, die sie unter Ludwig gemacht hatten in Anspruch und Technik, wegen ihres Strebens nach höchster Vollkommenheit, und weil sie sich an vergangener Größe orientierten. »Colbert … bewog Ludwig XIV. 1667, eine Akademie in Rom zu errichten. Man kaufte in dieser Metropole einen Palast an, in dem der Direktor wohnt, und sendet alle Schüler dorthin, die in der Pariser Akademie Preise errungen haben. Sie werden dort auf Kosten des Königs unterrichtet und erhalten; sie zeichnen nach der Antike und studieren Raffael und Michelangelo.
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